Natur

Natur ist glücklich. Doch in uns begegnen
sich zuviel Kräfte, die sich wirr bestreiten:
wer hat ein Frühjahr innen zu bereiten?
Wer weiß zu scheinen? Wer vermag zu regnen?
Wem geht ein Wind durchs Herz, unwidersprechlich?
Wer faßt in sich der Vogelflüge Raum?
Wer ist zugleich so biegsam und gebrechlich
wie jeder Zweig an einem jeden Baum?
Wer stürzt wie Wasser über seine Neigung
ins unbekannte Glück so rein, so reg?
Und wer nimmt still und ohne Stolz die Steigung
und hält sich oben wie ein Wiesenweg?
(Rainer Maria Rilke)

Elisabetta1 - 30. Jun, 19:14
Lass dich nicht irren
Hören wir nicht dieses Herz, wie es hinging zum Herrn?
wie es uns, über vieles Geschehne, berührt und erreicht:
so erreichen wir unsere sichere Seele vielleicht.
Rainer Maria Rilke, Ende Juli 1911, Paris
Gedichte 1906 bis 1926.
(Sammlung der verstreuten und nachgelassenen Gedichte aus den mittleren und späten Jahren.)