Die Blaue Blume

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Die Eltern lagen schon und schliefen, die Wanduhr schlug ihren einförmigen Takt,
vor den klappernden Fenstern sauste der Wind;
abwechselnd wurde die Stube hell von dem Schimmer des Mondes.
Der Jüngling lag unruhig auf seinem Lager, und gedachte des Fremden
und seiner Erzählungen. Nicht die Schätze sind es,
die ein so unaussprechliches Verlangen in mir geweckt haben,
sagte er zu sich selbst; fern ab liegt mir alle Habsucht:
aber die blaue Blume sehn' ich mich zu erblicken.
Sie liegt mir unaufhörlich im Sinn, und ich kann nichts anders dichten und denken.
So ist mir noch nie zu Muthe gewesen: es ist, als hätt' ich vorhin geträumt,
oder ich wäre in eine andere Welt hinübergeschlummert;
denn in der Welt, in der ich sonst lebte, wer hätte da sich um Blumen bekümmert,
und gar von einer so seltsamen Leidenschaft für eine Blume hab' ich damals nie gehört.
Wo eigentlich nur der Fremde herkam?
Keiner von uns hat je einen ähnlichen Menschen gesehn; doch weiß ich nicht,
warum nur ich von seinen Reden so ergriffen worden bin;
die Andern haben ja das Nämliche gehört, und Keinem ist so etwas begegnet.
Daß ich auch nicht einmal von meinem wunderlichen Zustande reden kann!
Es ist mir oft so entzückend wohl, und nur dann,
wenn ich die Blume nicht recht gegenwärtig habe, befällt mich so ein tiefes, inniges Treiben:
das kann und wird Keiner verstehn. Ich glaubte, ich wäre wahnsinnig,
wenn ich nicht so klar und hell sähe und dächte, mir ist seitdem alles viel bekannter.
Ich hörte einst von alten Zeiten reden;
wie da die Thiere und Bäume und Felsen mit den Menschen gesprochen hätten.
Mir ist grade so, als wollten sie allaugenblicklich anfangen,
und als könnte ich es ihnen ansehen, was sie mir sagen wollten.
Es muß noch viel Worte geben, die ich nicht weiß:
wüßte ich mehr, so könnte ich viel besser alles begreifen.

NOVALIS: Heinrich von Ofterdingen
Erster Theil: Die Erwartung
[Erstes Kapitel]

Mit diesem Roman von Novalis begann *Die Blaue Blume* Symbol zu sein, für Romantik, Sehnsucht und Liebe,
Verbindung des Menschen mit der Natur und dem Geist, das Streben nach Erkenntnis der Natur und
folglich seiner selbst.
Ambrosia - 26. Jun, 16:13

einfach schön,

die Geschichte und die *blauen Blumen* :)

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